Gerda Arndt: Die Glocken der Dorfkirche Radewege
Die Kirchenglocken waren schon immer für das Geschehen im Dorf und für alle kirchlichen Amtshandlungen wichtig. Davon künden ihre Inschriften, und Verzierungen geben auch Auskunft über die Bedeutung des Ortes in der Region. Im oberen Rand der kleinen Glocke ist nämlich ein Pilgerzeichen erkennbar. Das könnte darauf hindeuten, dass Radewege an einem früheren Pilgerweg liegt!
Details zu den beiden Glocken:
Die kleinere von 1462 ist die ältere, hat 75 cm Durchmesser und wiegt 250 kg. Am Hals befindet sich die lateinische Inschrift in gotischen Minuskeln: „Ave Maria gratia plena dominus tecum benedicta tu.“, zu Deutsch: Sei gegrüßet Maria, du Gnadenreiche, der Herr sei mit dir, du Gebenedeite.
Die große Glocke mit einem Durchmesser von 90 cm wiegt 450 kg und wurde 1587 in Havelberg gegossen. Auf ihr ist zu lesen:
* JOCHIM * JENDERICH *
* HAT MICH GEGOSSEN *
* ANNO 1587 DEN 11. *
* AUGUSTI *
Die Inschriften am Hals in römischen Majuskeln sind lateinisch und lauten übersetzt: „Siehe, ich Glocke verkünde niemals das Eitle, ich lobe den wahren Gott, rufe das Volk, versammle die Geistlichkeit, rufe die Lebenden zur Kirche, die Toten zum Begräbnis. Oh König der Ehren, Christus, Erlöser der Welt, komme zu uns in Frieden. (So sei es!).“
(Übersetzung Peter Gramlich / Berlin, Fotos Gerald Tauber)
Wie wichtig Glockengeläut in früheren Zeiten war, erfahren wir aus Überlieferungen. Danach zog ein aus der Fremde Heimkehrender, wenn er die Heimatglocke hörte, seine Kappe oder Mütze und betete. Das taten auch die Bauern im 19. Jh. wenn sie auf dem Felde das Feierabendgeläut hörten.
Aus der Zeit des zweiten Weltkrieges gibt es folgendes zu berichten. Bürgermeister E. Schön hatte 1942 die kleine wertvolle Bronzeglocke abtransportieren lassen. Aber war sie auch eingeschmolzen worden? Nach dem Zusammenbruch begannen unter Leitung von Pastor Gerhard Friedel aus Ketzür und Möbelhändler Carl Naumann, damals Dorfstr. 35, umfangreiche Nachforschungen über den Verbleib der Glocke. In einem Hamburger Glockenlager wurde sie schließlich gefunden! 1948 konnte sie dann auf Umwegen in die damalige sowjetische Besatzungszone zurückgebracht werden.
Die beiden Bronzeglocken sind an Eichenholzjochen aufgehängt. 2002/03 wurde auf Initiative des Vereins Kirchdach e.V. der Glockenstuhl saniert und die gesamte Läutanlage modernisiert. Die Firma Schmidt aus Berlin ermöglichte es, die Glocken nun mit Hilfe von Linearmotoren berührungslos und automatisch zu bewegen. Das Läuten per Hand entfällt somit. 2009 wurden Turmkopfdokumente gefunden, u.a. eine „Glockenakte“ mit der Notiz: „Den Nachfahren zur Kenntnis und Nacheiferung, wie wir in Deutschlands Notzeit um unsere Kirchenglocke gerungen und diese auch über die Zonengrenzen hinweg wieder erhalten haben“.
Mögen unsere wertvollen Kirchenglocken weiterhin zur Ehre Gottes und zu vielen festlichen Anlässen erklingen.