Die Kirche

Radewege – 1335 zum ersten Mal urkundlich erwähnt – gehört zu den ältesten Dörfern im West-Havelland. Die Hauptbauphase der gotischen Dorfkirche ist um 1400 anzusetzen.
An Kirchenschiff und -turm ist nach außen gemischtes Mauerwerk aus Feldstein und Backstein im Klosterformat zu sehen. Die Verbindung dieser beiden Materialien erfolgte über groben Kalkmörtel. Die dreiteiligen spitzbogigen Fenster sind weitgehend in ursprünglicher Form erhalten. An der Südseite ist in einer doppelten Spitzbogenblende ein ehemaliger Zugang zum Kirchenschiff zu erkennen. Der derzeitige Kircheneingang liegt im Turm auf der Westseite.
Die Dorfkirche ist in der Form des einschiffigen Saalbaues mit polygonalem Chorabschluss erbaut. Es handelt sich also um einen Kirchentyp, der bis zum Ende des 18.Jh. für Dorfkirchen charakteristisch war.

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Der spätgotische Kirchenraum ist geprägt von in Backstein ausgeführten Diensten und Gewölben mit verzierten Schlusssteinen und Ziegelstempeln. Im Chorraum der Kirche befindet sich an der Nordseite eine hölzerne farbig gefasste Renaissance-Kanzel aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs.. Neben der Kanzel ist in das Mauerwerk eine Sakramentsnische eingelassen. Über dieser wurde ein vorkragender Ziegel eingefügt. Bis 1973 war dieser der Standort für die hölzerne farbig gefasste Madonna mit Kind auf dem rechten Arm aus Lindenholz, die um 1440 geschaffen wurde. Die Skulptur befindet sich nach der Restaurierung im Dommuseum Brandenburg/Havel. Eine ungefasste Kopie ist seit 2006 die Stellvertreterin.

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Der wuchtige spätmittelalterliche Kirchturm steht auf einem rechteckigen Grundriss in der Breite des Kirchenschiffes. Er wird oberhalb der Dachtraufe auf einen fast quadratischen Grundriss eingezogen. Auf diesem Turmabschluss wurde im Jahr 1756 das ursprünglich sparsame Dach durch eine zwiebelförmige Schweifhaube ersetzt. Durch diesen Turmaufbau erhielt der massive Baukörper eine gut geformte Haube, die von der Stadt Brandenburg aus über den Beetzsee signalhaft wahrgenommen wurde. Die Holzkonstruktion der Schweifhaube mit formbetonender Schiefereindeckung wurde am 4. Mai 1973 durch Blitzschlag und nachfolgendem Brand erheblich beschädigt und am gleichen Tag heruntergerissen. Aus Kostengründen wurde die Schweifhaube nur durch ein kurzes Zeltdach mit Schiefereindeckung ersetzt.
Im Turmbereich an der Südseite befindet sich eine kleine Eingangstür zu Turm und Dachstuhl. Der Zugang erfolgt über eine enge Backstein-Wendeltreppe. Die einzelnen Turmebenen der Balkenkonstruktion sind über Holzleitern erreichbar. Hier gelangt man zum Glockenstuhl. An Eichenjochen sind zwei Bronzeglocken aufgehängt. Die große Glocke mit 0,90 m Durchmesser ist 1587 von Joachim Jenderich in Havelberg gegossen worden, sie wiegt 450 kg. Die zweite Glocke hat 0,75 m Durchmesser, sie wiegt 250 kg.

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Die Jahreszahl 1462 datiert den Guss der kleinen Bronzeglocke. Sie trägt am Hals die der Jungfrau Maria gewidmete Inschrift. Zusammen mit der Lindenholz-Skulptur “Maria mit Kind” kann man davon ausgehen, dass die Radeweger Dorfkirche in vorreformatorischer Zeit der Gottesmutter Maria gewidmet war.
Nach einem verheerenden Brand im Jahr 1890 verlor das Dorf Radewege nördlich der Dorfstraße alle wesentlichen Bauernhöfe. Diese großen Höfe wurden bis 1900 neu erbaut. Parallel zu dieser Bautätigkeit fanden um 1895 eingreifende Umbaumaßnahmen im Inneren und am Äußeren der Kirche statt. Das Ergebnis ist sowohl in der Kirchenausmalung als auch an einigen Veränderungen am Baukörper zu erkennen. Unter Leitung von Baurat Tiedemann wurden das große einheitliche Kirchengestühl mit etwa 160 Plätzen und die dominante Empore eingebaut. Das farbige Chorfenster wurde im Jahr 1895 gestiftet. Es stellt in der Mitte Christus, zur Rechten Petrus, zur Linken Paulus dar. Inwieweit sich die gotisch empfundene Farbgestaltung von 1895 unter Baurat Tiedemann an der ältesten Ausmalung orientiert, ist ungeklärt.

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Auf der Empore wurde im Jahr 1894/95 nach dem Plan des Orgelbaumeisters Gesell im Turmbereich eine Schleifladenorgel gebaut. Nach dem Tod von Gesell wurde die Ausführung Orgelbaumeister Alexander Schuke erteilt. Schuke – der Gründer der Traditionsfirma in Potsdam – baute seine erste Orgel (opus 1) also im Dorf Radewege.

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Weitere Informationen zur Kirchengeschichte finden Sie hier:

Aufsatz Marcus Cante, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum, Gebietsreferent Inventarisation

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Auch für die kommenden Jahre sind weitere Arbeiten zum Erhalt und zur Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbildes geplant.

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Kirchdach e.V.
Altar- und Kronleuchter in der Radeweger Kirche

 Text: Gerda Arndt, Gerald Tauber, Fotos: Juliane Menzel

Sind die Lichter ange­zündet …

Das erzeugt nicht nur in der Weihnachtszeit eine festliche Stimmung in der kleinen Radeweger Dorfkirche. Die brennen­den Kerzen am Altar und besonders der golden strahlende Messingleuch­ter verfehlen ihre dies­bezügliche Wirkung nicht. Wie steht es nun um diese wertvollen neobarocken Schmuckstücke und wie kamen sie in unsere Kirche?

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Radewege ging es in der Zeit des Übergangs vom 19. zum 20. Jahr­hundert wirtschaftlich gut. Als Ausdruck dessen wurden eingreifen­de Umbaumaßnahmen am Gotteshaus durchgeführt. Ein neues Kirchengestühl und die dominante Empore konnten eingebaut werden. Die erste Schuke-Orgel fand hier ihren Platz, und die wun­derschöne Kirchenausmalung stammt ebenfalls aus dieser Zeit. Dazu leisteten auch wohlhabende Dorfbewohner ihren Beitrag und so kam es, dass u.a. der Kronleuchter und zwei Altarleuchter gestiftet wurden. Am Kronleuchter ist „A. Heuser 1895“ und an den Altarleuchtern „W: Heuser 1895“ eingraviert. Albert Heuser war Großbauer, Sohn des Friedrich Wilhelm Heuser (geboren 1822). Albert besaß eine Dreihüfner-Wirtschaft und führte bis 1898 die Ziegelei seines Vaters weiter. Eine Ursache für die Spendenfreudig­keit war auch der Großbrand im Spätsommer 1890, der viele Gehöfte auf der Nordseite der Dorfstraße vernichtete. Wer vom Feuer verschont geblieben war, dankte Gott in Form einer Spende an die Kirche. Das ehemalige Großbauernhaus der Familie Heuser in der Dorfstraße 79 ist das Eckgebäude zur Brielower Straße und hat sich im Laufe der Jahre – wie fast alle Häuser des Dorfes – sehr verändert.

Der Kronleuchter dagegen hat sich kaum verändert und diese 120 Jahre recht gut überstanden. Aber restaurierungsbedürftig ist er schon. Die große untere Kugel ist an einer Stelle eingebeult, bei einigen Kerzenhaltern fehlen kleinere Stücke bzw. sind sie etwas verbogen. Diesmal leistet der Förderkreis Dorfkirche Radewege – „Kirchdach e.V.“ – seinen Beitrag und finanziert die Restaurierung. Dann wird der Leuchter noch viele weitere Jahre das Kirchenschiff mit seinem angenehmen Licht erhellen können.

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